Tudor hat seine beliebte Taucheruhrenserie Black Bay Fifty-Eight erweitert. Zu den jüngsten Neuzugängen zählt eine blaue Variante mit Manufakturkaliber und mittelgroßem 39-mm-Gehäuse, die beim Grand Prix d’Horlogerie de Genève (GPHG) 2020 den Uhrenpreis „Challenge“ gewann. Wie schlägt sich Tudors Preisträger in unserem Test?
Das Label Tudor liegt seit Jahren im Trend und kann auf eine stetig wachsende Fangemeinde zurückblicken. Die Zweitmarke von Rolex stagnierte viele Jahre, seit 2009 nimmt Tudor jedoch wieder Fahrt auf. Die an charakteristischem Design reiche Geschichte von Tudor wird in den neu aufgelegten Retro-Modellen der Marke hervorgehoben. Die Heritage Black Bay, die an die frühen Taucheruhren von Tudor erinnert, erschien 2012. Auf ihr Debüt folgte 2018 die Premiere der kleineren Black Bay Fifty-Eight. Die blaue Version, die wir hier testen, wurde 2020 enthüllt.
Der Name „Fifty-Eight“ bezieht sich auf 1958, das Jahr, in dem Tudor seine erste Taucheruhr, die Referenz 7924, vorstellte, die als „Big Crown“ bekannt ist. Der Durchmesser der neuen Uhr von 39 mm entspricht den Abmessungen des Gehäuses des historischen Modells. Auch sonst sieht diese neue Version auf den ersten Blick tatsächlich wie eine Vintage-Uhr aus, ein antikes Modell. Sie wirkt dank der drehbaren Lünette und des kleineren Zifferblatts sogar etwas zierlich.
Der Vintage-Eindruck wird noch durch das gewölbte, kratzfeste Saphirglas unterstrichen, das an seinem Rand stark gewölbt ist wie die Acrylgläser der Modelle aus früheren Jahrzehnten. Auch das Zifferblatt ist leicht konvex, wie die Zifferblätter klassischer antiker Uhren. Auch die schmalen Bandanstöße und die Typografie auf der drehbaren Lünette spielen auf die Geschichte von Tudor an. Die Designer verzichteten sogar auf eine Datumsanzeige und komplettierten so den historischen Eindruck.
Berühmt und heiß begehrt auf Auktionen sind alte Tudor-Taucheruhren mit sogenannten „Snowflake“-Zeigern. Der Spitzname leitet sich von den Quadraten an den Spitzen des Stunden- und Sekundenzeigers ab: Sie sind jeweils um 45 Grad gedreht und erinnern ein wenig an eine stilisierte Schneeflocke. Dieses Detail tauchte erstmals Ende der 1960er Jahre an den Zeigerspitzen auf und wurde danach beibehalten.
Die verschraubte Krone ist mit einem Tudor-Rosenemblem graviert.
1956 wandten sich französische Marinetaucher an Tudor, um die ideale Taucheruhr für ihre Zwecke zu finden. Tudor wurde daraufhin offizieller Lieferant der französischen Militärschwimmer. Die Kampftaucher entschieden sich Mitte der 1970er Jahre für blaue statt schwarze Zifferblätter. An diese Zeitmesser erinnert unsere Testuhr mit blauem Zifferblatt und blauer Tauchzeitskala aus Aluminium. Die Aluminiumskala ist zwar nicht so kratzfest wie ihre Pendants aus Keramik, passt aber mit ihrer matten Oberfläche besser zum Vintage-Stil dieses Modells.
Alles in allem ist Tudor eine sehr schöne und harmonische Retro-Uhr gelungen, die durch ihre blaue Farbe und den Verzicht auf die bei anderen Fifty-Eight-Modellen sonst auf den Zifferblättern verbauten goldenen Zeiger und Stundenindexe noch zeitloser wirkt. Die Funktionalität blieb dabei zum Glück nicht auf der Strecke: Große Leuchtindexe und viel Leuchtmasse auf den Zeigern garantieren eine hervorragende Ablesbarkeit bei Tag und bei Nacht. Die gut greifbare Krone entkoppelt sich beim Zuschrauben vom Aufzugsmechanismus und schützt diesen so. Dank Sekundenstopp und fehlender Datumsanzeige, die die erste herausgezogene Position der Krone entsprechend eliminiert, lässt sich die Uhrzeit bequem einstellen.
Die einseitig drehbare Lünette rastet in Ein-Minuten-Schritten ein. Auch sie lässt sich dank ihres fein gezackten Randes gut greifen und drehen. Die Lünetten früherer Modelle hatten etwas Spiel und klangen beim Einrasten blechern, doch Tudor hat deutlich nachgebessert: Die Lünette dieser Uhr rastet fast so souverän ein wie die ihrer Pendants bei Uhren der großen Schwester Rolex. Ein nachleuchtender dreieckiger Index ermöglicht das Ablesen der Tauchzeit auch bei Dunkelheit oder trübem Wasser. Dank ihres bis 200 Meter wasserdichten Gehäuses und des wasserfesten Textilarmbands ist auch diese Black Bay uneingeschränkt tauchtauglich.
Das blaue Stoffarmband der Uhr ist leicht und strapazierfähig und hat einen grauen Streifen entlang der Mittellinie. Es wird nach einer traditionellen Methode genäht, die auf historischen Maschinen basiert. Die schöne Dornschließe ist so gestaltet, dass sie der Schildform des Tudor-Wappenlogos ähnelt. Wie das Gehäuse sind auch bei der Schließe polierte und satinierte Oberflächen nebeneinander angeordnet.
Das Textilarmband ist luftdurchlässig, was zu seinem Tragekomfort am Handgelenk beiträgt. Flache Textilbänder wirken bei Uhren mit hohen Gehäusen oft fehl am Platz, aber das ist hier kein Problem: Das Armband passt gut zur Black Bay und verstärkt ihren gesamten Vintage-Look.
Das Armband verläuft über die Rückseite des Gehäuses und bedeckt es daher größtenteils, aber das ist hier kein Problem, da diese Tudor-Uhr leider keinen Glasboden hat, sodass das Manufakturkaliber MT5402 vom Käufer nicht gesehen und nur vom Uhrmacher bewundert werden kann, der den vollständig mit Gewinde versehenen Stahlboden abschraubt und das Gehäuse für Wartungs- oder Reparaturarbeiten öffnet. Das Uhrwerk ist besonders beeindruckend, weil es die traditionellen Tudor-Tugenden Präzision und Robustheit aufrechterhält. Den ersten Anspruch erfüllt die Marke, indem sie jedes Uhrwerk von der offiziellen Schweizer Chronometer-Prüfstelle COSC testen lässt. Diese Prüfung bescheinigt unter anderem, dass die durchschnittliche tägliche Gangabweichung in einem engen Bereich zwischen –4 und +6 Sekunden liegt.
Unsere elektronische Zeitwaage bestätigte diese Genauigkeit. Die Abweichungen in den verschiedenen Positionen blieben in einem engen Bereich. Die durchschnittliche Abweichung betrug einen geringen Verlust von –1,3 Sekunden pro Tag. Am Handgelenk hielt die Uhr die Zeit nahezu perfekt, wo wir einen minimalen Vorlauf von nur +0,5 Sekunden pro Tag maßen.
Das Kaliber MT5402 (das MT steht für „Mouvement Tudor“) setzt auf verschiedene technische Merkmale, um den zweiten Teil der Markenphilosophie zu erfüllen: Robustheit. Erstens ist das Uhrwerk recht hoch (4,99 mm), sodass kleine Toleranzschwankungen im Produktionsprozess kaum zu Fehlfunktionen führen. Zweitens wird die Unruh nicht nur einseitig von einem Kloben gehalten, sondern ist in einer stabilen und völlig horizontalen Position unter einer Brücke installiert. Und drittens besteht die Unruhspirale aus Silizium, was die Wahrscheinlichkeit von Gangabweichungen durch Dezentrierung oder Verformung dieser winzigen Feder nach einem Aufprall auf das Uhrwerk minimiert.
Weitere hochwertige Merkmale des Manufakturwerks sind seine lange Gangreserve von 70 Stunden und seine frei schwingende Unruh mit vier Regulierschrauben. Diese Schrauben verhindern, dass der Gang durch Veränderung der aktiven Länge der Unruhspirale fein reguliert wird, wie dies bei ETA-Kalibern der Fall ist.
Dass Tudor keinen großen Aufwand und keine Kosten in die feine Verzierung des Uhrwerks steckt, passt zur Philosophie der Marke, zuverlässige Uhrmachertechnik zu einem erschwinglichen Preis anzubieten. Dennoch ist der Rotor attraktiv durchbrochen und sowohl mit einem Sonnenschliffmuster als auch dem eingravierten Markennamen verziert.
Die Black Bay begeistert mit ihrem Design ganz ähnlich wie die historischen Taucheruhren von Tudor. Und wie bei ihren Vorfahren steht die Funktionalität im gleichen Maße im Vordergrund. Abgesehen von der fehlenden Datumsanzeige und der kratzempfindlichen Aluminiumlünette muss man hier keine Kompromisse eingehen. Dieser Newcomer verfügt über kratzfestes Saphirglas, viel Leuchtmasse, hohe Wasserdichtigkeit, guten Tragekomfort und einfache Bedienung. Auch der Preis stimmt. Tudor hat also alles richtig gemacht. Dieser Erfolg zeigt sich aber auch in den langen Wartelisten für dieses Modell. Auch hier tritt Tudor in die Fußstapfen der großen Schwester Rolex.
TECHNISCHE DATEN:
Hersteller: Tudor, Rue François Dussaud 3–5, 1211 Genf 26, Schweiz
Referenznummer: M79030B-0003
Funktionen: Stunden, Minuten, Sekunden
Uhrwerk: Manufakturkaliber MT5402, Automatik, COSC-zertifiziert, 28.800 A/h, 27 Steine, Sekundenstoppfunktion, Silizium-Spiralfeder, Feineinstellung über vier Regulierschrauben am Rand der frei schwingenden Unruh, Incabloc-Stoßdämpfung, 70 Stunden Gangreserve, Durchmesser = 26 mm, Höhe = 4,99 mm
Gehäuse: Edelstahlgehäuse mit beidseitig gewölbtem, entspiegeltem Saphirglas, verschraubte Krone, vollverschraubter Boden aus Edelstahl, wasserdicht bis 200 Meter
Armband und Schließe: Textilarmband mit Edelstahl-Dornschließe
Ratenergebnisse (Abweichung in Sekunden pro 24 Stunden):
Zifferblatt nach oben -2
Zifferblatt nach unten +1
Krone nach oben -1
Krone nach unten -3
Krone links -1
Krone rechts -2
Größte Abweichung 4
Durchschnittliche Abweichung -1,3
Durchschnittliche Amplitude:
Flache Positionen 291°
Hängende Positionen 260°
Maße: Durchmesser = 39 mm, Höhe = 12 mm, Gewicht = 77 Gramm
Varianten: Mit blauem „Soft Touch“-Armband (Ref. M79030B-0002; 3.375 $); mit Stahlarmband (Ref. M79030B-0001, 3.700 $)
Preis: 3.375 $
PUNKTE:
Armband und Schließe (max. 10 Punkte): Das Textilarmband ist robust und
luftdurchlässig. Die Dornschließe ist praktisch. 8
Bedienung (5): Die verschraubte Krone ist einfach zu bedienen und eine Sekundenstoppfunktion erleichtert die sekundengenaue Zeiteinstellung. Die griffige Lünette lässt sich leicht drehen. 5
Gehäuse (10): Das gut verarbeitete Gehäuse weist eine gute Wasserdichtigkeit auf. Ebenfalls gut: Die Krone trennt sich beim Zuschrauben vom Aufzugsmechanismus. 8
Design (15): Das sehr gelungene Retrodesign weist charakteristische Tudor-Elemente aus mehreren Jahrzehnten auf. 14
Lesbarkeit (5): Großzügige Leuchtmasse auf Zeigern und Indexen sowie ein hoher Kontrast zwischen Zeigern und Zifferblatt sorgen für eine gute Ablesbarkeit bei Tag und Nacht. 5
Tragekomfort (10): Die Uhr liegt angenehm am Handgelenk und ist nicht kopflastig. 9
Werk (20): Das Manufakturkaliber ist robust konstruiert und bietet eine lange Gangreserve. Die Verzierungen sind dezent. 15
Gangergebnis (10): Die größte Gangabweichung zwischen den einzelnen Lagen ist gering. Die durchschnittliche Kursabweichung ist moderat, tendiert aber ins Minus. 8
Gesamtwert (15): Der Preis ist angemessen. Die Nachfrage übersteigt das Angebot, was zu einem guten Werterhalt führt. 12
Gesamt: 84 PUNKTE